
„Ein A bleibt ein A“ – Gibt es überhaupt Letteringstile?
Gibt es einzigartige Stile auch beim Lettering oder nur bei Illustrationen?
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Ein Blog-Beitrag zum Thema Letteringstile, typografische Basics, diverse Merkmale und Klassifikation von Schriften und wie du überhaupt zu deinem eigenen Stil findest.
Warum eigentlich das Thema Letteringstile?
Aufgrund der immer wiederkehrenden Urheberrechtsdebatte und Dikussion rund um Verlinkungen und Inspirationsangaben im Social Media Bereich habe ich auf meinem Instagram Kanal vor einigen Tagen eine Umfrage zu diesem Thema gestartet. Hier wollte ich einerseits herausfinden, welche Ängste und Fragen zum Thema Urheberrecht auftreten, andererseits war es für mich von Interesse zu eruieren, ob eindeutige, einzigartige und erarbeitete Siganture-Letteringstile auch als Stile angesehen werden, oder ob der eigene Style für viele nur bei Illustrationen ersichtlich ist.
Das Ergebnis der Umfrage im Bezug auf Stile und stilistische Unterschiede hat mich dazu geführt mich nochmal tiefer mit der Materie zu beschäftigen. Warum werden Letteringstile und Signature-Letterings von bestimmten Personen nicht als diese erkannt?
„Man kann das ABC nicht neu erfinden“ oder „Ein A bleibt ein A“. Ist das so?
Zu Beginn ist es für mich wichtig, dass wir einige Basics klären. Was ist Typografie? Wie können (digitale) Schriften unterschieden und differenziert werden? Was sind die Unterschiede der einzelnen Fachausdrücke? Und und und… Sobald diese theoretischen Inputs geklärt sind, widme ich mich auch der Frage: Wie kommst du nun zu deinem eigenen Stil?
Was ist Typografie eigentlich?
Das Wort „Typo“ stammt vom Altgriechischen Wort „Typos“ ab, was mit „Schlag“, „Stoß“ oder „Eindruck“ gleichzusetzen ist. „Grafie“ stammt – ebenfalls aus dem Altgriechischen – vom Wort „Grafia“ ab und steht für „schreiben“, „darstellen“ oder „beschreiben“.
Die „Typografie“ definiert sich als die Lehre der Schrift und beschreibt die Kunst und das Handwerk der Gestaltung von Druckerzeugnissen mit beweglichen Lettern*, welche nach ästhetischen Gesichtspunkten zusammen gestellt werden.
*Letter oder auch Drucktypen / Typen sind Bestandteile einer Satzschrift aus Blei und werden Druckletter oder Bleiletter genannt.
Die Typografie umfasst sehr breit gefächerte Bereiche, wie – um nur einige Beispiele zu nennen – Schriftgeschichte, Klassifikation von Schriften, die kunstgeschichtliche Zuordnung von Schriften, das Wissen über Betrachtungs- und Lesergewohnheiten, die Lehre von Ästhetischem, Künstlerischem und Funktionalem, die Gestaltung von Buchstaben, Sonderzeichen und Schriften, sowie deren Anwendungen und visuelle Gestaltungen bei und von Druckerzeugnissen.
Typografie macht Sinn, nämlich historischen und visuellen Sinn.
Ein altes Handwerk, das gleichzeitig mit dem Buchdruck entstanden ist und sich der Aufgabe angenommen hat, Sprache und Schrift auf visueller und ästhetischer Ebene darzustellen. Sie lebt! Denn sie untersteht seit Jahrhunderten, aufgrund unterschiedlicher, stilistischer Richtungen und Änderungen, einem ständigen Wandel. Sie ist existent, um dem / der BetrachterIn textliche Inhalte visuell schmackhaft zu machen.
Vor allem in der heutigen Zeit – einer Zeit der ständigen Veränderung und kurzlebigen Inhalte – liegt es an der Typografie, Aufmerksamkeit zu erregen und somit die BetrachterInnen dazu zu verleiten, die Texte wirklich zu lesen. Sie ist also dazu da, den Inhalt eines Textes besonders auszuzeichnen und – im besten Fall – zu unterstützen.
Kurz gefasst: Typografie ist Leidenschaft. Leidenschaft zu Buchstaben und Alphabeten. Leidenschaft zu ständiger Veränderung. Aber vor allem: Leidenschaft und Liebe zum Detail!
Merkmale von Schriften – Wodurch unterscheiden sie sich?
Generell definieren sich Schriften durch unterschiedliche einfache Merkmale, aber auch durch den Einsatz von Fachjargon oder Stilgruppen, welche durch Normen, in diesem Fall DIN 16518, festgelegt wurden. In diesem Kapitel erkläre ich euch die Möglichkeiten der Unterscheidung.
Allgemeine, einfache Merkmale von Schriften

Allgemeine & einfache Merkmale
Hier kann man zwischen folgenden Merkmalen unterscheiden:
- Serifenschriften / Serifenlose Schriften
- Gebrochen / Rund
- mit Kontrast / ohne Kontrast
- verbunden / nicht verbunden
Merkmale von Schriften nach Fachjargon

Merkmale nach Fachjargon
- Fraktur Schriften sind nicht in einem Zug geschrieben, daher auch der Name „Fraktur“ (=gebrochene Schrift, lat. fractura = „Bruch“).
- Antiquaschriften verfügen über Auf- und Abstriche, sowie Serifen. Hier gibt es aber auch serifenlose Varianten.
- Groteskschriften sind serifenlose Antiquaschriften bei gleicher Balkenstärke.
- Bei Bastardschriften handelt es sich um Mischformen aus Grotesk und Antiquaschriften. Sie sind also nicht genau definierbare Hybridformen, welche meistens den Antiqua Varianten zugeordnet werden.
- Schreibschriften sind Handschriften nachempfunden und zeigen vielfach Verbindungsstriche von einem Buchstaben zum nächsten.
- Display Schriften weichen durch ihre Proportionen in Breite und Höhe, oder ihrem Stil von klassischen Antiqua- und Groteskschriften ab und sollen dem Druckerzeugnis oder digitalem Design persönlicheren Charakter verleihen.
Stilgruppen nach DIN 16518
Außerdem gibt es noch die Klassifikation der Stilgruppen nach DIN 16518. Bei dieser Art der Definition werde ich euch die einzelenen Gruppen auflisten, jedoch nicht näher darauf eingehen. Das würde für diesen Blog Artikel definitiv den Rahmen sprengen.
- Venezianische Renaissance-Antiqua
- Französische Renaissance-Antiqua
- Barock-Antiqua
- Klassizistische Antiqua
- Serifenbetonte Linear-Antiqua
- Serifenlose Linear-Antiqua
- Antiqua Varianten
- Schreibschriften
- Handschriftliche Antiqua
- Gebrochene Schriften
- Fremde Schriften
Alles zu diesem Thema könnt ihr bei den Detailors Workshops lernen. Beim „Basic Brushlettering und Typografie“ Workshop werden euch alle Gruppierungen näher gebracht, die Unterschiede erklärt und visuell dargestellt. Die Umsetzung der Erkennung im Alltag dauert natürlich eine Weile, denn das menschliche Auge muss auf die Erkennung erst geschult werden. Wie bei allen neu erlernten Thematiken ist es auch hier so, dass man erst mal üben muss.
Unterschiede Lettering, Handlettering und Brushlettering
Nun geht es mit den Unterschieden der einzelnen Wordings weiter. Wenn Handlettering und Brushlettering nicht dasselbe sind, was ist dann überhaupt Lettering und wo liegt der Unterschied? Zu viele Fragen, zu wenige Antworten und plötzlich herrschte die pure Verwirrung!
Lettering
Wenn man über Lettering spricht, meint man damit das kunstvolle Zeichnen von Buchstaben. Im Gegensatz zur Typografie, bei welcher – aufgrund der Entwicklung des Buchdruckes – besonders der technische Aspekt im Vordergrund steht, wird beim Lettering vor allem auf die kunstvolle und ästhetisch-ansprechende Art des Buchstaben-Zeichnens Wert gelegt. Zu Letterings zählen auch händisch vorgezeichnete Buchstaben, Wörter oder Sprüche, welche später digitalisiert, zu einer Vektorgrafik verarbeitet werden und eventuell in weiterer Folge eine digitale Font entsteht.
Zusammengefasst: Das wichtigste Differenzierungsmerkmal ist, dass beim Lettering Buchstaben gezeichnet und nicht geschrieben werden. „Lettering“ wird gerne als Überbegriff für Handlettering, und Brushlettering verwendet.

Lettering | © Detailors
Handlettering
Als Handlettering bezeichnet man sämtliche mit der Hand geschriebenen Buchstaben, Wörter oder Sprüche, bei deren Umsetzung klassische, handelsübliche Stifte (Bleistifte, Fineliner, Filzstifte, Kugelschreiber,…) verwendet werden. Man spricht hier also vom kunstvollen Schreiben von Buchstaben. Das Erscheinungsbild des Handletterings kann durch den Einsatz von sekundären Stilelementen, wie Schnörksel, Pfeilen, Linien, Schatten, Konturen, uvm. von Grund auf verändert und dadurch kompakter und ansprechender gestaltet werden.

Handlettering | © Detailors
Brushlettering
Der Unterschied zwischen Brush- und Handlettering ist klein, aber fein! Denn als Brushlettering bezeichnet man ebenfalls das kunstvolle Schreiben von Buchstaben, jedoch kommen bei der Umsetzung spezifische Werkzeuge zum Einsatz. Wie das Wort BRUSHlettering bereits erahnen lässt, wird mit einem Pinsel (in Kombination mit Tusche, Aquarell- oder Wasserfarben) oder einem Pinselstift / Brush Pen geschrieben, wodurch dünnere oder dickere Strichstärkenkontraste des Auf- und Abstriches durch die Verwendung des Werkzeuges erreicht werden.

Brushlettering | © Detailors
Was bedeutet aber jetzt eigentlich Letteringstil?
Genauso wie es bei digitalen Fonts unterschiedliche Stile gibt, gibt es diese auch beim Hand- oder Brushlettering bzw. Lettering. Hier wären wir wieder beim Anfang des Artikels „Ein A bleibt ein A“ – Ist das wirklich so? Oder bleibt lediglich der Buchstabe, der geschrieben wird der, der er ist? Kann man durch Formgebung, Farbwahl und Stilwahl wird die Wirkung des Buchstabens beeinflussen? Gibt es also Letteringstile?
Ich sage JA!
Durch eine bestimmte Formgebung, Farbauswahl und in weiterer Folge eventuell sogar die Kombination mit weiteren sekundären Stilelementen kann man einem Schriftbild bestimmte Emotionen und Wirkungen zuweisen, die im Betrachter ausgelöst werden sollen.
Kurz gesagt: Ich kann ein Wort sehr trashy, dirty und schnell schreiben und somit im Betrachter andere Emotionen auslösen, als würde ich ein- und dasselbe Wort sehr verschnörkelt, verspielt und rund schreiben. Kantige Looks lösen also andere Emotionen aus, als runde und fließende Formen. Vergleichbar sind diese Stile auch mit Farben, denn auch Farben lösen in den Betrachtern völlig unterschiedliche Emotionen aus und auch die Farbwahl spielt oft eine große Rolle.
Außerdem kann auch der Lesefluss des Betrachters durch die Wahl der Schriftart beeinflusst werden. Bei Romanen ist es zum Beispiel sehr oft so, dass die Schriftwahl und die behandelte Thematik des Romans zusammen spielen und die richtige Wahl der Schrift somit vom Inhalt des Buches abhängig ist.
Wenn ich es mir also bei der Erstellung eines neuen Schriftbildes zur Aufgabe gemacht habe, dass dieses den Betrachter lange beschäftigen soll und auch für längere Zeit im Gehirn verankert werden soll, habe ich beim Schreiben die Möglichkeit diverse Elemente zu kombinieren. Hier könnte ich zum Beispiel einen Mix aus gut lesbaren und eher „schlechter“ lesbaren Buchstaben zur Hand nehmen, sodass der/die Betrachter/in längere Zeit benötigt, um den Spruch lesen zu können. Das längere Betrachten des Schriftbildes und der damit zusammenhängende „Aha Effekt“ der entsteht, sobald der Sinn erfasst wurde, gibt mir die Möglichkeit meine visuelle Umsetzung besser im Gehirn des Betrachters zu verankern.
In weiterer Folge füge ich euch hier einige Beispiele von einzigartigen Letteringstilen ein. Ich möchte betonen, dass dies nur eine kleine Auswahl ist. Natürlich gibt es noch zahlreiche Künstler und Künstlerinnen mit einzigartigem Stil!

#1

#2
Hier geht’s zu den Beiträgen und Websites:
Reihe 1
- Links: © Frau Hölle – Website: www.frauhoelle.com
- Mitte: © Frau Mesas – Website: www.frau-mesas.de
- Rechts: © Eineckig – Website: www.eineckig.com
Reihe 2
- Links: © Detailors Creative Studio – Website: www.detailors.at
- Mitte: © Mrs Monk Studio – Website: www.mrs-monk.com
- Rechts: © Vilapillo
Wie kommt man zu seinem eigenen, einzigartigen Stil?
Wenn man gerade mit dem Hand- oder Brushlettering beginnt, ist es ganz klar, dass man zu Beginn erst mal ein „typisches“ Alphabet erlernt, um seine Werkzeuge kennen zu lernen und sich Schritt für Schritt die Handhabung der Werkzeuge anzueignen. In weiterer Folge wird man vermutlich drauf kommen, dass es völlig unterschiedliche Stile gibt, wie man Wörter und Buchstaben schreiben kann. Natürlich ist es dann sinnvoll, diese unterschiedlichen Stile auch auszuprobieren und zu erlernen. Wenn du dich hier zum Beispiel von einem sehr speziellem Stil zu Schreiben inspirieren hast lassen und dein Werk auf Instagram oder sonstigen Plattformen teilen möchtest, gilt es auch hier den Urheber / die Urheberin zu nennen.
Sobald dich Hand- oder Brushlettering in seinen Bann gezogen hat, dann wird vermutlich bzw. hoffentlich auch der Moment kommen, an dem du dich mit völlig unterschiedlichen Schriftarten beschäftigen möchtest. Die Welt des Letterings und der Typografie ist riesig, hier gibt es viel zu entdecken, das dich inspirieren kann!
Deinen eigenen Stil wirst du nicht innerhalb von zwei Tagen finden, hierfür benötigst du Zeit.
Du musst viel ausprobieren, dich auch mal ärgern, dir unterschiedliche Stile und Werkzeuge beibringen und erforschen, was dir liegt und was dir gefällt. Bringe deinen Charakter und deine Stärken im Schriftbild zum Ausdruck. Wenn du also Schriften mit runden Formen, vielen Verzierungen und Schnörksel toll findest, dann bringe dir in diesem Bereich möglichst viele Buchstaben-Varianten bei. Spiele mit unterschiedlichen Formen und finde vielleicht auch heraus in welcher Farbwelt du dich wohl fühlst.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass du dir die schönsten Formen und Buchstaben aus unterschiedlichen Schriftbildern zusammen suchst, diese übst, weiter entwickelst und daraus deinen eigenen Stil entwickelst. Beim Hand- und Brushlettering ist es nämlich nicht, wie in der klassischen Kalligrafie. In der klassischen Kalligrafie bist du an bestimmte Regeln, wie Neigungen oder Formen, gebunden. Im Gegensatz dazu hast du beim Hand- oder Brushlettering die Möglichkeit dich völlig frei zu entfalten.
„Man kann das ABC nicht neu erfinden.“
Diese Aussage ist absolut korrekt, denn man kann das ABC nicht neu erfinden… Mit diesem Schreibsystem kommunizieren wir, schreiben wir, reden wir. Was man aber machen kann, ist: Man kann den Stil neu erfinden! Ein A bleibt somit zwar ein A, aber es gibt hunderte, wenn nicht sogar hunderttausende Varianten, wie man dieses A schreiben kann! Und somit gibt es auch hunderttausende Möglichkeiten an Stilen und an Emotionen, die du damit vermitteln kannst.
Bei Letteringstilen kannst du dich mit Strichstärkenkontrasten (also Linienstärken), Laufweiten, unterschiedlichen Höhen, Farbwelten, dem Mix aus Groß- und Kleinbuchstaben spielen. Du kannst sekundäre Stilelemente hinzufügen, Ligaturen (also zusammengestellte Buchstaben) einbauen oder dir ein ganz besonderes Layout überlegen. Oder du spielst mit diversen Größen von Wörtern und hast somit die Möglichkeit bestimmte Wörter hervorzuheben. Außerdem kannst du verschiedene Werkzeuge miteinander mischen oder die Verwendung dieser Werkzeuge völlig neu interpretieren.
Die Möglichkeiten sind unendlich.
Und genau das ist das Schöne am Hand- und Brushlettering. Deiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Das einzige was man dafür tun muss, ist sich auf die Materie einzulassen, sich inspirieren zu lassen und Ideen zu entwickeln oder vielleicht sogar Ideen von anderen aufzugreifen und völlig Neuartiges daraus zu kreieren.
Lass‘ dich nicht in einen Käfig sperren, versuche die Unsicherheit abzulegen und Neues auszuprobieren. Denn was kann passieren? Es sieht nicht gut aus und du bist nicht zufrieden? Ist doch völlig egal, du hast Neues ausprobiert und festgestellt, dass es dir nicht liegt oder gefällt. Aber: Du hast wieder geübt! Du hast dein Werkzeug nochmal besser kennen gelernt. Und nach dem Ausprobieren, Üben, Umwerfen, Ärgern, von Vorne beginnen, Denken, Versuchen und und und … Dann kommt der Moment in dem du weißt, was dir liegt, was dir Spaß macht, was dir gefällt und an was du weiter arbeiten möchtest.
Deine Kreativität funktioniert wir ein Muskel, du musst sie trainieren, damit du besser werden kannst und damit du Neues erfinden kannst. Also gönn‘ dir den ersten Schritt raus aus deiner Komfortzone und versuche dich an Neuem. Denke also immer dran: Kein Meister ist vom Himmel gefallen!